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Wo liegt The Länd?

Ist rätselhafte Werbung eine gute Idee?

Die Bot­schaft, die ein Pla­kat ver­mit­teln möch­te, ist in der Regel auf einen Blick erfass­bar — nicht umsonst heißt das von Pla­kat abge­lei­te­te Adjek­tiv „pla­ka­tiv“. Auch wer Absender:in der Bot­schaft ist, lässt sich nor­ma­ler­wei­se schnell erken­nen, meist durch ein gut plat­zier­tes Logo. Aber immer wie­der gibt es auch Wer­be­kam­pa­gnen, bei denen man erst mal über­le­gen muss, wofür da gera­de gewor­ben wird.

Was soll das? 
Wer wirbt hier wofür? 
Funk­tio­niert rät­sel­haf­te Werbung? 
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So begeg­ne­te mir auf dem Weg zur Agen­tur die­ses gro­ße, gel­be Pla­kat. „Will­kom­men in THE LÄND“ stand dar­auf in schwar­zen Let­tern. Klar, dass ich schon aus rein beruf­li­cher Neu­gier fas­zi­niert war. Kein Logo, kei­ne Erklä­rung, was The Länd sein soll, kei­ne Bil­der, ein­fach nur ein Cla­im. Und unten ganz klein eine Inter­net­sei­te plus QR-Code. Beim Wei­ter­ra­deln über­leg­te ich: Ent­we­der, das war irgend­ei­ne Frei­kir­che, die da auf moder­ne Wei­se das gelob­te Land bewarb, oder es war Baden-Würt­tem­berg. Oder doch eine neue Serie?

 

Das Zauberwort: Aktivierung

Und schwups waren die Pla­ka­te natür­lich auch Gesprächs­the­ma in der Mit­tags­pau­se. Danach wur­de gegoo­gelt und das Geheim­nis gelüf­tet: Tat­säch­lich steht die Lan­des­re­gie­rung hin­ter dem Slo­gan – aus dem Länd­le wird the Länd. Im Fal­le mei­ner Kolleg:innen und mir ist das Kon­zept der Agen­tu­ren Jung von Matt Neckar und Mil­la & Part­ner also bes­tens auf­ge­gan­gen. Das Pla­kat hat unse­re Neu­gier geweckt, wir haben dar­über mit ande­ren gespro­chen und wir haben aktiv im Inter­net nach des Rät­sels Lösung gesucht.

Hier liegt die Stär­ke von rät­sel­haf­ter Wer­bung: Sie hat das Poten­ti­al, Rezipient:innen zu akti­vie­ren. Weil die Bot­schaft nicht klar und deut­lich kom­mu­ni­ziert wird, muss ich mich anstren­gen, sie zu ent­schlüs­seln. Ich begin­ne, nach­zu­den­ken. Im Ide­al­fall fan­ge ich sogar an, zu recher­chie­ren. Und für Wer­be­trei­ben­de noch wün­schens­wer­ter: ich fan­ge an, über die Kam­pa­gne zu kom­mu­ni­zie­ren. Die akti­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit einer Wer­be­kam­pa­gne erhöht ihren Erin­ne­rungs­wert um ein Viel­fa­ches. Das, womit ich mich beschäf­ti­ge, bleibt mir im Gedächt­nis. Wenn die akti­ve Beschäf­ti­gung mit der Kam­pa­gne soweit geht, dass Rezipient:innen sich  in den sozia­len Medi­en dar­über aus­tau­schen, erschlie­ßen sich neue Multiplikator:innen und Kanä­le – die Kam­pa­gne geht viral.

Werbung heißt:
sich abheben,
mit Erwartungen spielen,
überraschen

Zurück ins Länd: Ein Pla­kat, auf dem die Bot­schaft „Baden-Würt­tem­berg – schö­ne Land­schaft, kuli­na­ri­sche High­lights, Erfin­der­geist und Spit­zen­for­schung“ ste­hen wür­de, bebil­dert mit einem Motiv, das Wald, Droh­ne und Mäd­chen mit Schwarz­wäl­der Bol­len­hut zeigt, hät­te mich wahr­schein­lich kalt gelas­sen. Und das liegt nicht dar­an, dass ich die­se Attri­bu­te unin­ter­es­sant fin­de, son­dern dar­an, dass ich sie schon zu oft gese­hen habe. Es ist das Übli­che, was Regio­nen aus dem Hut zie­hen, wenn sie sich als attrak­tiv und zukunfts­ge­wandt dar­stel­len wol­len – wenn auch mit loka­len Abwei­chun­gen wie dem Bollenhut.

So aber habe ich mir den Image­film “Will­kom­men in THE LÄND”, der mitt­ler­wei­le auf der Kam­pa­gnen-Web­site zu fin­den ist, ange­se­hen. Weil ich wis­sen woll­te, was “the Länd” sein soll. Der Film ver­mit­telt in etwa die­se Bot­schaft: Baden-Würt­tem­berg ist ein Land mit schö­ner Land­schaft, kuli­na­ri­schen High­lights, Erfin­der­geist und Spit­zen­for­schung. Die Bot­schaft ist bei mir ange­kom­men. Wer­bung ist immer wie­der das alte Spiel: um auf­zu­fal­len, müs­sen übli­che Mus­ter durch­bro­chen werden.

 

 

Wer löst das Rätsel?
Das Thema Zielgruppe

Hat die neue baden-würt­tem­ber­gi­sche Image­kam­pa­gne bei mei­nen Kolleg:innen und mir nur funk­tio­niert, weil wir als Mit­ar­bei­ten­de einer Wer­be­agen­tur ein beson­de­res Inter­es­se für unge­wöhn­li­che Wer­be­stra­te­gien haben? Nein, denn auch in den klas­si­schen sowie den sozia­len Medi­en hat die Kam­pa­gne jede Men­ge Auf­merk­sam­keit generiert.

Aller­dings beschränkt sich die Auf­merk­sam­keit bis­lang vor allem auf Deutsch­land. Wie wei­te­re Schrit­te der Kam­pa­gne aus­se­hen wer­den, die das Aus­land mit dem Ziel der Anwer­bung von Fach­kräf­ten anvi­sie­ren sol­len, bleibt span­nend. Hier ist ein rät­sel­haf­ter Ansatz viel­leicht eher nicht ratsam.

Die Ziel­grup­pe ist wie immer ein wich­ti­ger Punkt: Rät­sel­haf­te Wer­bung funk­tio­niert natür­lich nur bei denen, die die Rät­sel auch als sol­che ver­ste­hen und lösen kön­nen. Ein Wort­spiel, das ein wenig Um-die-Ecke-Den­ken erfor­dert, ver­steht nur, wer in der jewei­li­gen Spra­che ent­spre­chend sprach­ge­wandt ist. Eine Anspie­lung ver­steht nur, wer den jewei­li­gen Kon­text kennt. Die Abwei­chung vom Kli­schee gou­tiert nur, wer das Kli­schee als sol­ches ver­in­ner­licht hat.

Damit kann man bei einer spit­zen Ziel­grup­pe bewusst arbei­ten: Wenn ich z.B. nur IT-Fach­kräf­te anspre­chen will, kann ich Pro­gram­mier­spra­chen-Insi­der brin­gen, die ande­ren ein Rät­sel blei­ben. Möch­te ich alle anspre­chen, soll­te das Rät­sel oder die Irri­ta­ti­on eher einen all­ge­mei­nen Nerv treffen.

Lassen sich rätselhafte
Botschaften lenken?

Vor allem Kam­pa­gnen, die dar­auf bau­en, viral zu gehen, geben ein Stück ihrer Deu­tungs­ho­heit ab. Zwar hat The Länd in kur­zer Zeit sehr viel Auf­merk­sam­keit gene­riert – aber wird die Bot­schaft, dass das Länd­le attrak­tiv und läs­sig ist, auch genau­so wei­ter­ge­ge­ben? Nicht ganz. Die (sozia­len) Medi­en applau­die­ren nicht nur: Vie­len gefällt der Slo­gan auch nicht, das hohe Bud­get stößt auf Unver­ständ­nis, ande­re stel­len die Sinn­haf­tig­keit regio­na­ler Image­kam­pa­gnen kom­plett in Fra­ge. Aber auch sie tra­gen dazu bei, dass mehr Men­schen über­haupt auf die Kam­pa­gne auf­merk­sam werden.

 

Und die Auflösung?

Wer Rät­sel stellt, soll­te sie auch auf­lö­sen. Oft wer­den die Lösun­gen direkt mit­ge­lie­fert und man ent­deckt sie, wenn man genau­er hin­schaut. Bei­spiels­wei­se das Schwarz­weiß-Foto mit einer wei­nen­den, win­ken­den Frau am Bahn­hof. Wofür wird da gewor­ben? Bei genau­em Hin­se­hen ent­deckt man oben in der Ecke das klei­ne Logo: Spon­tex. Schaut man nun noch­mals inten­si­ver auf das Foto, ent­deckt man, dass die Frau statt eines Taschen­tuchs einen Schwamm in die Luft hält.

Ande­re Kam­pa­gnen ver­su­chen, Neu­gie­ri­ge via QR-Code auf eine Web­site zu locken, auf der das Rät­sel gelöst wird. So auch bei The Länd. Hier gab es zudem eine Pres­se­kon­fe­renz, bei der Win­fried Kret­sch­mann die Kam­pa­gne erläu­ter­te. Und die­se Woche hän­gen auch Pla­ka­te, die mehr Erklä­run­gen liefern.

Fazit? Rät­sel­haf­te Wer­bung kann sehr gut funk­tio­nie­ren. Aber es gehört natür­lich auch eine Por­ti­on Mut dazu, sei­ne Bot­schaft auf die­se Wei­se zu ver­brei­ten. Und ein gutes Konzept.

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